Schuljahr 2013/14




Ein Tag lang Abgeordneter im Europaparlament


Schüler der Europaschule Teilnehmer einer Simulation an Europauniversität


von Elmar Darimont



Für eine Gruppe von Schülern aus verschiedenen Klassen der Europaschule Storkow wirft die Europawoche (16. bis 23. Mai) schon ihre Schatten voraus. Zuerst hatten sie den Europaabgeordneten Helmut Scholz zu Gast und konnten sich direkt über die strukturelle Zusammensetzung und die allgemeinen Verfahrensweisen in der EU, aber auch über die persönlichen Erfolge und weiteren Ziele des Gastes informieren. Bisher hatte sich die Europawoche meist auf drei Schwerpunkte gestützt: Die Projekttage, die die größeren Schüler für die Kleineren vorbereiteten und durchführten, die intensive Beschäftigung jeder Klasse mit einem bestimmten Land und am Ende die Fußball-Europameisterschaft. "Dieses Konzept bekam durchweg gute Noten, mit der einen Einschränkung, dass mehrere Oberschüler sich mehr Input von außen wünschten", sagt Politiklehrer Elmar Darimont. Dazu passte dann auch perfekt die Annahme bei der SIMEP (Simulation einer Europäischen Parlamentssitzung), die seit neun Jahren von verschiedenen auf Europa spezialisierten Initiativen unter Federführung der Jungen Europäischen Bewegung durchgeführt wird.
50 polnische und 50 deutsche Schüler waren im Vorfeld von ihren Lehrern intensiv vorbereitet und von den Organisatoren mit einer neuen doppelten Identität ausgestattet worden: einmal waren sie einem Land und zum anderen einer Partei/Fraktion zugeordnet worden. Nach einem etwas schleppenden Anfang fanden die Schüler schnell in ihre Rollen und lernten ganz praktisch, wie mühsam Europa sein kann. Auch an das Dolmetschen, die offiziellen Verfahrensregeln und die vielen neuen Gesichter um einen herum mussten sie sich erst gewöhnen. Von der Fraktion ging es in die Ausschüsse, dann wieder zur Fraktion und dann in die große Plenardebatte. Ein Berichtsentwurf zur "Einrichtung eines Asyl- und Migrationsfonds" stand zur Debatte. Und natürlich wollten alle Fraktionen daran noch etwas ändern. Alexander Wiebach (Fraktion der GRÜNEN) wollte statt "Begrenzung der Zuwanderung" den Begriff "Stabilisierung" haben und wurde dabei von seiner Fraktionskollegin (aus Polen) wortgewandt unterstützt. In einem anderen Ausschuss wies Jenny Richter getreu der Linie ihrer konservativen EVP auf die Kosten der Zuwanderung hin: "Wenn die keine Ausbildung haben, bringt das ja nichts, wenn sie hierhin kommen und Hartz IV beantragen müssen". Und ernteet prompt heftigen Widerstand von den LINKEN, das sei eine klischeemäßige Darstellung von Zuwanderern als Sozialschmarotzern. Mittlerweile sind die Anfangsschwierigkeiten bei den meisten Schülern überwunden. "Als Lehrer bin ich in dieser Simulation nicht vorgesehen. So habe ich Zeit, von Ausschuss zu Ausschuss, von Fraktion zu Fraktion zu gehen und diese fantastische Atmosphäre aufzusaugen" sagt Elmar Darimont, sichtlich stolz auf seine Schüler. "Die Beiträge der Schüler sind durchweg auf einem sehr hohen Niveau. Das macht Spaß zuzuhören. Und natürlich freue ich mich, dass mehrere unserer Europaschüler hier aktiv mitmachen. Man darf nicht vergessen, dass sie hier auf angehende Abiturienten z. B. des Rouanet-Gymnasiums in Beeskow oder des Gaus-Gymnasiums in Frankfurt treffen. Und da mischen sie mit".
In der Plenardebatte im großen Hörsaal der Universität geht es dann nochmal so richtig zur Sache. Jetzt entscheidet sich, wer mit seinem Antrag durchkommt. Tobias Eberst (LINKE) denkt auch an die Wirtschaft der Herkunftsländer: "Wenn wir gerade die qualifizierten Kräfte aus den Entwicklungsländern bekommen, bricht dort die Wirtschaft zusammen. Dieser Antrag besagt, dass nur die Qualifizierten Integrationskurse bekommen, und das will die LINKE nicht. Alle sollen gefördert werden". Janine Igel (EVP) pflichtet ihm bei: " Ich würde es unfair finden, wenn irgendwo Krieg herrschte, und manche Menschen hätten Vorrang vor anderen". Sebastian Gorzolka (Sozialdemokraten) ergänzt: Alle sind gleich zu behandeln. Man muss auch in die Zukunft blicken. Wenn sie hier arbeiten, arbeiten sie für uns". Dass sich am Ende bei der Abstimmung die Position der LINKEN durchsetzt, liegt an einem Umstand, den Tobias Eberst und Dennis Konrad (S&D, Sozialdemokraten) schon in der Pause erkannt haben. Zuerst hatten sie sich noch Rededuelle geliefert ("Das kriegt Ihr nicht durch", "doch das kriegen wir durch"), aber schnell waren sie umgeschwenkt auf Zusammenarbeit und Kompromiss. Gemeinsam mit anderen Partnern haben sie die nötige Mehrheit.
Als der Parlamentspräsident die Sitzung nach der Schlussabstimmung schließt, wissen alle Schüler viel mehr über die Europäische Union als irgendein Unterricht ihnen je hätte vermitteln können, sie wissen aber auch, dass Abgeordneter kein leichter Job ist, und sie wissen, dass sie mehr Durchhaltevermögen haben als sie sich je zugetraut hätten. Schließlich haben sie gerade neun Stunden lang auf hohem Niveau Europapolitik diskutiert und debattiert.