Schuljahr 2008/09


Geschichtsunterricht zum Anfassen
von Jördis Fleischer (Kl.13)

Am 7.11. dieses Jahres besuchte eine ältere Dame namens Bela Schoenfeld (geborene Totenkopf) unsere Schule, um uns ein Stück Geschichte näher zu bringen. Schüler aus der Oberstufe, sowie aus der Sekundarstufe I waren der Einladung gefolgt und gespannt auf die Lebensgeschichte der amerikanischen Jüdin, mit deutschen Wurzeln.

Ihre Eltern lebten während des Nazisregimes in Storkow und führten dort ein nicht ganz sorgenfreies, aber dennoch glückliches Leben. Nachdem sie bereits zwei Jahre auf eine Eheschließungserlaubnis gewartet hatten, heirateten sie am 8.November 1938, einen Tag bevor die Nationalsozialisten mit der Reichskristallnacht in die Geschichte eingingen. Als sie am darauf folgenden Tag in ihre Flitterwochen nach Berlin aufbrachen, ahnte niemand was am Abend geschehen würde.
In der Nacht vom 9. auf den 10.November kam es zu gewalttätigen Überfällen auf jüdische Geschäfte, Privathäuser und Synagogen, welche von der NSDAP und SA durchorganisiert und geleitet wurden. Dabei wurden nicht nur Synagogen in Brand gesetzt und Fensterscheiben eingeworfen, sondern auch Schriftzüge an die Häuserwände gebracht. Diese verletzenden Worte, wie "schmutzige Juden" waren nicht nur kränkend. Nein, denn sie leiteten zudem eine Zeit des Grauens, der Missachtung und der Deportation ein. Als Familie Totenkopf davon erfuhr, beendeten sie ihre Flitterwochen frühzeitig und eilten zurück nach Storkow, um sich um das kleine Kaufhaus der Angehörigen zu kümmern. Während der Aufräumarbeiten wurden Frau Bela Schoenfeld's Vater und Onkel verhaftet und bis zum 5.Dezember an das Konzentrationslager Sachsenhausen ausgeliefert.
Um ihrem Mann zu helfen kaufte die Mutter zwei Tickets nach Shanghai in China, wo sie von nun an leben mussten. "Deutschland zu verlassen war die einzige Möglichkeit.", erklärte Bela Schoenfeld. Sie und Ihr Bruder Norbert kamen beide unter dem Namen Totenkopf in Shanghai zur Welt. Nach dem Krieg trennten sich die Wege der engeren Familienmitglieder. Einige von ihnen wurden in London sesshaft, andere wiederum gingen nach Chile. Bela Schoenfeld berichtete, Sie selbst lebe seit 1966 in den USA (Rhode Island) und ist dort sehr glücklich.
Besonders erstaunt waren die Schüler über den eindrucksvollen Stammbaum, welchen Sie uns mit Begeisterung präsentierte. Hinzufügte Sie, dass Sie Verwandte auf der ganzen Welt habe, welche Sie auch hin und wieder einmal besuche.
Am Ende Ihres Vortrags meldeten sich die Schüler zu Wort. Durch die Fragen, welche aufkamen, wurde das Interesse an diesem geschichtlichen Ereignis und vor allem der damit verbundenen Lebenseinschnitte deutlich. Man merkte förmlich die Betroffenheit, die durch den Raum ging. Selbst nachdem schon mehrere Personen den Raum verlassen hatten, um ihre Unterrichtsräume aufzusuchen, gab es immer noch einige, welche das Gespräch mit Frau Schoenfeld und Ihrer Familie suchten. Familie deshalb, da Sie die Reise nach Storkow nicht allein, sondern mit Verstärkung in Form Ihres Bruders, Ihrer Kinder, sowie Enkelkinder angetreten war.
Alles in Allem, so denke ich, war dies ein sehr aufschlussreicher und dazu ergreifender Besuch. Es ist nicht nur wichtig über die Geschichte seines Landes bescheid zu wissen, sondern auch aus ihr zu lernen. Damit Fehler eingesehen, aber nicht wiederholt werden.
Dazu gehört beispielsweise die Rassendiskriminierung, welche niemals Teil des Alltags werden darf, da sie durch ihre Feindseligkeit ein friedliches Zusammenleben verhindert und viele Leben zerstören kann.