Schuljahr 2008/09


Gedenkveranstaltung für die Opfer des Massakers von Katyn in Opalenica
von I. Knobloch

Nach der Unterzeichnung des Hitler-Stalin-Paktes und der darauf folgenden sowjetischen Besetzung Ostpolens im Herbst 1939 gerieten 14.700 Offiziere und Soldaten der polnischen Armee und Polizei in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Am 5. März 1940 unterzeichneten die Mitglieder des Politbüros der KPdSU - Stalin, Molotow, Kaganowitsch, Woroschilow, Mikojan, Beria und Kalinin - den Befehl zur Exekution von "Nationalisten und konterrevolutionären Aktivisten" in den besetzten Gebieten. Diese weite Definition ermöglichte es, neben Offizieren, Soldaten und Reservisten auch ca. 10.000 polnische Intellektuelle und Polizisten zu töten. Erfasst wurden schließlich 25.700 Polen, einschließlich der Kriegsgefangenen. Vom 3. April bis zum 19. Mai 1940 ermordete das NKWD in Katyn nahezu 15.000 Gefangene.
Eine kleine Delegation unserer Schule besuchte am 17.09.2008 unsere Partnerstadt Opalenica.
Dort wurde für die Opfer von Katyn eine Gedenktafel enthüllt. Für die Einwohner der Stadt war dieses Ereignis von großer Bedeutung, weil über 20 ehemalige Militärangehörige und Bürger der Stadt vom sowjetischen Geheimdienst bei Katyn erschossen wurden. Etwa 50 Jahre wurde dieses Ereignis offiziell geheim gehalten, jedoch war es natürlich den meisten Menschen bekannt. Eine Möglichkeit, einen Ort der Trauer und des Gedenken zu haben, gab es aber bislang in Opalenica nicht.
Unter den ungefähr tausend Teilnehmern der Gedenkveranstaltung waren auch viele Veteranen des II. Weltkrieges anwesend. Mit einer katholischen Messe begann die Veranstaltung. Anschließend fand die feierliche Enthüllung der Gedenktafel statt. Historiker, Politiker der Region und Schüler aus unserer Partnerschule Liceum Opalenica, eines Gymnasiums aus Kaliningrad in Russland sowie aus der Europaschule Storkow nahmen an einer Vortragsrunde zu diesem Thema teil. Josephine Wendland (13b) setzte sich in ihrem Beitrag auseinander mit der Bewertung geschichtlicher Ereignissen, Malgorzata Grudniewska (13c) übersetzte für das überwiegend polnische Publikum. Auszüge aus ihrer streitbaren Rede, die auch Hintergründe des Massakers erklärt, sind unter den Fotos eingefügt worden.



Aus der Vergangenheit lernen und in die Zukunft sehen
von Josephine Wendland

Wir alle kennen inzwischen die Fakten des Massakers von Katyn. Laut polnischen Angaben kamen ca. 30 000 Menschen bei dieser Tat ums Leben. Der Zeitpunkt dieses schockierenden Ereignisses wurde aufgrund gefundener Tagebücher, Briefen und Zeitungen auf den Zeitraum von März / April des Jahres 1940 datiert. Für uns Deutsche ist es jedoch bis heute noch immer schwierig, eine klare Bewertung der Ereignisse zu formulieren, denn bis noch vor relativ kurzer Zeit war nicht völlig klar, ob nun die Rote Armee oder das NS-Regime dieses Verbrechen beging.
Im Zeitraum 1940 bis 1941 war besagtes Gebiet nämlich von den Sowjets besetzt, jedoch stritten diese jede Schuld ab und noch bis zum Jahre 1989 wurde, sogar an deutschen Schulen, die Alleinschuld Deutschland zugeschoben. Doch auch wenn heute klar ist, dass die Rote Armee für dieses Massaker verantwortlich ist, müssen wir uns eingestehen, dass wir Deutschen uns nicht völlig von einer Mitschuld freisprechen können. Denn ohne den Hitler-Stalin-Pakt wäre nie eine Grundlage für diese Verbrechen gegeben gewesen. Doch auch wenn das NS-Regime in dieser Zeit eine Vielzahl von Verbrechen begangen hat, muss man nun erkennen, dass diese Tat nicht den Deutschen zuzuschreiben ist. Diese Situation lässt uns erkennen, dass Geschichte stets aus mehreren Blickwinkeln betrachtet werden sollte, um sie zu verstehen und vor allem auch verarbeiten zu können. Oftmals sind die verschiedenen Elemente der Vergangenheit schwierig zu erkennen, da Geschichte nicht nur aus Gut und Böse, nicht nur aus Schwarz und Weiß besteht, sondern viele verschiedene Grautöne aufweist, die oftmals nicht leicht voneinander zu unterscheiden sind. Man kann sich seine Vergangenheit nicht aussuchen und genauso sollte man vorsichtig damit sein, über geschichtliche Ereignisse ein zu schnelles Urteil zu fällen, denn wenn man sich nur die Fakten herauspickt, die den Standpunkt vertreten, den man selbst als richtig erachtet, kann Geschichte schnell als Propaganda gebraucht und missbraucht werden.
Ich als Deutsche denke, dass wir aus den Ereignissen der Vergangenheit gelernt haben. Wir, die junge Generation, sind für die Taten der Vergangenheit nicht verantwortlich, wissen jedoch um die Fehler und wollen nun in der Zukunft einen besseren Weg, einen Weg der Freundschaft der verschiedenen Nationen, beschreiten. Ich persönlich sehe in dieser Entwicklung schon große Fortschritte. Wenn ich von mir selbst als Beispiel ausgehe, kann ich behaupten, dass viele meiner besten Freunde polnischer Staatsangehörigkeit sind, Menschen, die ich inzwischen seit mehr als 2 Jahren kenne und inzwischen nicht mehr missen möchte. Gosia beispielsweise hat ein Jahr lang als meine Gastschwester bei mir gelebt und wir haben auch jetzt noch einen starken Kontakt zueinander.
Solch eine Freundschaft ist bei uns kein Einzelfall und wir freuen uns über jede Gelegenheit weitere Kontakte, Bekanntschaften und Freundschaften schließen zu können. Ich denke die Geschichte lehrt uns, Ereignisse stets kritisch zu betrachten und nicht stumm alles zu glauben, was uns vorgebetet wird. Solche schrecklichen Dinge können nun mal leider passieren, das hat uns das Massaker von Katyn gezeigt. Doch wenn wir alle mit gesundem Menschenverstand und einem wachen Geist durchs Leben gehen, werden wir in Zukunft die Wiederholung solcher Ereignisse zu verhindern wissen und stattdessen ein gutes Verhältnis zwischen den verschiedenen Nationen, die jedoch eigentlich gar nicht so verschieden sind, aufbauen.