Schuljahr 2006/07


Europaschüler im Fernsehen
rbb zeigt Bericht über verbannte Schulklasse aus Storkow

Fünf Schweigeminuten und ihre Folgen stehen im Zentrum des Films 'Das fliehende Klassenzimmer', das der rbb am Montag in einer Erstausstrahlung zeigt. Fünfzig Jahre nach den Ereignissen haben sich Jürgen Buch und Thomas Zimolong auf Spurensuche begeben. Was hat die Schüler damals bewegt? Wie hat die Schweigeaktion ihr Leben geprägt? Natürlich haben sie sich den Ort der vermeintlichen Verschwörung angesehen, Raum N1 im Nebentrakt der Europaschule Storkow. Für den Film wurden Szenen im berühmten Klassenzimmer nachgespielt - eine tolle Gelegenheit für die Theater-AG der Europaschule. Die 16 Hobbyschauspieler proben zwar schon lange zusammen, aber die Arbeit mit einem professionellen Filmteam war doch eine ganz neue Erfahrung. Recht anstrengend sind solche Dreharbeiten, da waren sich alle einig. "Ich wusste nicht, dass man so viele Wiederholungen machen muss", sagt Felix Hönow. Und Norman Schlauß betont, dass man richtig mitfühlen konnte: "Wenn man die Geschichte kannte, konnte man sich leicht in ihre Lage hineinversetzen". Ein kurzes Schweigen hat das Leben der Schüler einer Abiturklasse im brandenburgischen Storkow verändert. Ende Oktober 1956, zur Zeit des Ungarnaufstands, ruft der RIAS zur Solidarität mit den ungarischen Demonstranten auf, und die Oberschüler folgen. Am 29. Oktober 1956 legen die Schülerinnen und Schüler der zwölften Klasse fünf Schweigeminuten ein. Es herrscht Kalter Krieg. Auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs wird der Feind nicht nur permanent beim anderen, sondern parallel auch ständig in den eigenen Reihen gesucht. In diesem heißen ideologiebefrachteten Klima kann die sehr emotionale Solidaritätsaktion der Storkower Schülerinnen und Schüler nicht als das verstanden werden, was sie eigentlich ist: Ein stummes Zeichen des Mitgefühls. Die Schweigeaktion entwickelt schnell eine Dynamik, die kaum noch zu kontrollieren ist. Auf die Rädelsführer hat es die SED abgesehen, die Schüler der Klasse werden in langen Verhören dazu aufgefordert, die Anführer zu nennen, doch sie schweigen beharrlich. "Es gab gar keine Rädelsführer", sagt Ursula Oehring, damals Schülerin der besagten Klasse. Dann kommt Volksbildungsminister Fritz Lange in die Schule und redet vier Stunden auf die Klasse ein, um doch noch das vermeintliche Nest der Konterrevolution zu säubern. Ohne Erfolg. Auch das Ultimatum, das er den Schülern stellt, verstreicht ohne Ergebnis, und so werden die 19 Schüler alle ohne Ausnahme von der Schule verwiesen. Sie sind verzweifelt, sie wollten das Abitur machen und haben nun nicht mal mehr eine Schule. 15 von ihnen fliehen in den Westen und versuchen dort ihr Glück.
Die Mitglieder der Theater AG sind auf jeden Fall alle ganz gespannt auf den Film, am 18. Dezember um 22.15 Uhr werden sie wohl keine Zeit für andere Dinge haben. "Der Gedanke, dass man ins Fernsehen kommen könnte, war schon aufregend", sagt Yvonne Wiss. Das fliehende Klassenzimmer von Jürgen Buch und Thomas Zimolong, 45 Minuten, 18. Dezember, 22.15 Uhr, rbb